Redebeitrag bezüglich des Attentats in Halle – 10. Oktober 2019

Unser Redebeitrag bei der Gedenkversammlung am 10. Oktober 2019 bezüglich des antisemitischen Attentats in Halle:

Ein antisemitischer Terroranschlag in Halle. Zwei Tote, etliche Verletzte und angeblich ein „Einzeltäter“. Dieser ist gestellt – also alles gut, die Gefahr ist gebannt. Wie gut, dass ansonsten niemand versucht mit einem Messer in eine Synagoge zu klettern und mit antisemitischen Ausrufen versucht Personal anzugreifen… wie gut, dass sonst keine Jüdinnen und Juden mit Steinen beworfen, geschlagen, angespuckt werden… wie gut, dass es nicht regelmäßig Solidaritätsbekundungen für eine Antisemitin und Shoah-Leugnerin gibt, die völlig zu Recht hinter Gittern sitzt… Wie gut, dass deutsche Politiker nicht Vertretern des antisemitischen Regimes im Iran die Hände schütteln, um sich dann heuchlerisch gegen Antisemitismus zu positionieren. Wie gut, dass Jüdinnen und Juden keine Angst haben müssen hier zu leben. Alles andere wäre ja „unvorstellbar“, wie Steinmeier meinte.

Unvorstellbar in einem Land, in dem das anzünden einer Synagoge als „Israelkritik“ gilt… In dem erst ein Gericht prüfen muss, ob das Leugnen des Holocausts eine Straftat ist… In einem Land, in dem erst der Opfer des NS gedacht wird, und hinterher Israel delegitimiert wird… Also man lieber an Tote, aber nicht so gerne an lebendige Jüdinnen und Juden denkt… In einem Land in dem jahrelang Neonazis aus dem Untergrund Leute ermorden können, unterstützt vom Staatsschutz… Unvorstellbar in einem Land, in dem die, die gerade am lautesten verkünden, wie schrecklich und unerwartet die Tat in Halle gewesen sei, genau die sind, die gerade die Förderung von Projekten, die über Antisemitismus und Rassismus aufklären und teilweise seit Jahren gute und wichtige Arbeit machen, drastisch gekürzt haben und für viele die Arbeit unmöglich machen.
Unvorstellbar in Deutschland… Wo jetzt, so wie jedes Mal, wieder mehr über den Täter gesprochen wird, wahrscheinlich wieder diskutiert wird, ob man Computerspiele oder ähnliches verbietet, aber sich kaum jemand mit den betroffenen Menschen und ihren Ängsten auseinandersetzt… Und wo Jüdinnen und Juden wieder wegziehen, weil sie sich nicht sicher fühlen.

Natürlich sind wir tief erschüttert von dem Terrorakt, der sich gestern in Halle abspielte. Aber wir sind ebenso erschüttert, dass jetzt alle ganz überrascht tun und nicht wissen warum das denn „so plötzlich“ passieren konnte. Betroffene, Recherchestellen und Wissenschaftler*innen warnen seit Jahren vor Antisemitismus und seinen verheerenden Konsequenzen. Es ist unerträglich, dass erst etwas derartig Schlimmes passieren muss, um eine öffentliche Debatte anzustoßen. Wobei diese wohl auch nicht von langer Dauer sein wird, und sich danach auch nicht viel ändern wird. Heute betonen alle ihr Bedauern, morgen schimpfen sie wieder über Israel oder den angeblich zu großen Einfluss von Jüdinnen und Juden. Alltäglicher Antisemitismus in a nutshell.

Wir fordern einen entschlossenen Kampf gegen jeden Antisemitismus und stehen solidarisch an der Seite der Betroffenen!

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