Redebeitrag der AG debate. auf der Kundgebung „We stand with Israel“ (18.05.21 Halle)

Vor fast genau einem Monat, am 19. April 2021, wurde in Warschau an den 78. Jahrestag des „Aufstandes im Warschauer Ghetto“ gedacht. Bei diesem Gedenktag an den größten bewaffneten Aufstand von Jüdinnen und Juden gegen ihre Mörder, wehte an den Gedenkplätzen die Fahne Israels. Am gleichen Tag begannen in Jerusalem die Ausschreitungen, die den Anfang der aktuellen Hasswelle gegen Israel bildeten. Auch hier weht die Fahne des jüdischen Staates. Und auch heute wehen hier bei uns die Fahnen, gegen Antisemitismus und in Solidarität mit dem einzigen Schutzraum für Jüdinnen und Juden vor weltweit grassierendem und auf sie gerichteten Hass.

Diese Fahne ist weit mehr als ein Staatssymbol. Sie steht für Widerstand, für das Überleben und für Selbstbestimmung. Sie zeigt auf, was der jüdische Staat Israel ist: die emanzipatorische Bewegung von Jüdinnen und Juden zur Abwehr und Bekämpfung des Antisemitismus im Rahmen der in Nationalstaaten geordneten bürgerlich-kapitalistischen Welt. Ein staatlich organisierter Schutzraum, dessen oberste Prämisse es ist, das, vor allem in Deutschland zur Heilung der eigenen Volksseele, viel beschworene „Nie wieder“ auch wirklich zu garantieren – als selbstgewählter Imperativ: nie wieder wehrlos!

Aus diesem Grund lässt sich das bekannte Zitat von Friedrich Dürrenmatt nicht oft genug wiederholen:

„Ich, der ich sonst für keinen Staat besonders eintrete, der ich sonst über Staaten nicht gerade zimperlich denke und über den Nationalismus ausgesprochen bösartig, stehe für Israel ein, weil ich diesen Staat für notwendig halte. […]Die Vernichtungslager, wo jüdisches Volk unterging, ohne sich zu wehren, und der Aufstand des Warschauer Ghettos, wo jüdisches Volk vernichtet wurde, indem es sich wehrte, diese zwei fürchterlichen Möglichkeiten, die einem Volk am Ende bleiben, forderten, damit sie sich nicht wiederholen, den jüdischen Staat. […] Einen erhabeneren Grund, einen Staat zu gründen, mag es geben, einen notwendigeren nicht.“

So lange, wie Terrorbanden und ganze Regime offen zur Vernichtung des jüdischen Staates aufrufen, so lange weltweit Synagogen angegriffen und Israelfahnen verbrannt werden, so lange Jüdinnen und Juden geschlagen, angespuckt und beschimpft werden und in Angst leben… So lange darf die Frage nicht heißen, ob man Israel kritisieren dürfe oder nicht, sondern sie muss lauten: warum man sich nicht bedingungslos mit Israel solidarisiert! So lange müssen die Fahnen wehen!

Die immer wieder aufkommende, reflexhafte Äußerung von „beiden Seiten“, die an dem Konflikt beteiligt wären, muss als das entlarvt werden, was es ist: eine dreiste Lüge, die antiisraelische Ressentiments befeuert. Auf der einen Seite stehen wahnhafte Terrorbanden, die weder aus ihrem Antisemitismus noch dem daraus resultierenden Vernichtungsdrang einen Hehl machen, und dafür auch die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde opfern; auf der anderen Seite ein demokratisches und rechtsstaatliches Land, das mit allen Mitteln versucht die eigene Bevölkerung zu schützen. Eben dieses Narrativ, dass diese beiden Seiten gleichermaßen zu dem Konflikt beitragen würden, ignoriert historische und gesellschaftspolitische Fakten. Zum Beispiel, dass Israel unter jedweder Regierung zu Verhandlungen und Zugeständnissen bereit war. Jede Annäherung aber von arabisch-palästinensischer Seite abgebrochen und abgelehnt wurden, die Hamas sogar beschwört, dass jede Verhandlung mit „dem Feind“ „unehrenhaft“ sei. Dies wird im Taumel deutscher „Nahostexperten“ gerne vergessen, da im Sammeln von Doppelstandards auch der größte Widerspruch nicht groß genug ist, um ihn gegen Israel zu verwenden. Hierbei entblößt sich althergebrachter Judenhass im neuen Gewand, denn „die“ müssten es ja „besser“ wissen – als ob der Staat Israel zu irgendwelchen Wundertaten fähig wäre.

Denn der jüdische Staat ist und bleibt der Jude unter den Staaten: es ist egal was er macht oder nicht macht, ob er etwas objektiv gut oder schlecht macht – die Meinung steht schon vorher fest. Egal wie viele Raketen auf Israel gerichtet sind oder fliegen, egal wie viel Terror die israelische Bevölkerung erleiden muss: Für den Deutschen steht fest, dass dieser Terror ja einen Grund haben muss – und diesen sucht er, trotz besseren Wissens, bei den Opfern und nicht den Tätern. Der geschichtsvergessene Deutsche hat seine Juden lieber nicht so wehrhaft. Er gedenkt nur der ermordeten Juden, als den Lebenden ein Dasein ohne Angst zuzugestehen. Daher braucht er die Mär von beiden Seiten: wenn sie heute auch wieder an ihrem Schicksal selber schuld sind, dann müssen es die Juden auch damals gewesen sein – somit kann man sich der historischen und der gegenwärtigen Schuld entziehen. Dank altbekannter Lippenbekenntnisse wird die „Staatskritik“ zur Vernichtungsdrohung.

Dass ein kapitalistisch-bürgerlicher Staat nicht das Paradies auf Erden ist, dafür muss man nicht einmal Marx gelesen haben, um das zu erkennen. Aber wenn es nur darum gehen würde, dann müsste es feststehende Begriffe wie „Frankreichkritik“, „Italienkritik“ oder „Deutschlandkritik“ geben… Geschweige denn Länder, in denen die Menschenrechtslage weit schlimmer ist, wie im Iran… Gibt es aber nicht. Hier zeigt sich die Obsession der angeblichen „Israelkritik“: es geht einzig und allein darum, den einzigen jüdischen Staat zu delegetimieren und zu dämonisieren.

Genau dem gilt es entgegen zu halten – genau so wie den unsäglichen israelfeindlichen Demonstrationen und Kundgebungen der letzten Tage. In Berlin, Frankfurt, München, Leipzig und in vielen anderen Städten hat sich offen gezeigt, was uns schon vorher klar war: es ging den Demomstrierenden nie um so etwas wie Kritik an einem Staat zu formulieren. Wo ist die Kritik, wenn in Parolen altbekannte Stereotype vom Kindermörder ausgepackt werden, wo die Kritik bei Landkarten, auf denen Israel nicht existiert? Es geht um Vernichtung, und darum, den eigenen Judenhass endlich wieder laut heraus schreien zu können. Und als genau dass muss es benannt und bekämpft werden.

Deshalb müssen die Fahnen weiter wehen! Gegen jeden Antisemitismus und für Israel!

Am Israel Chai!

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